Neues vom "Räuber Hotzenplotz" - Frauenfelder Eisenbahnamateure

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Neues vom "Räuber Hotzenplotz"

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Zum Ende der ČSSR 1991 besass die ČSD auf dem heutigen tschechischen Staatsgebiet noch zwei Schmalspurbahnbetriebe: Das südböhmische Netz von Jindřichův Hradec und die viel weniger be-kannte, vergleichsweise kurze Strecke von Třemešná ve Slezsku nach Osoblaha (20 km) in  Mährisch-Schlesien, einst Röwersdorf–Hotzenplotz. Hotzenplotz ist im deutschen Sprachraum der Name eines furchterregenden wie tollpatschigen Räubers, erfunden vom in Liberec geborenen Schriftstellers Ottfried Preussler (1923-2013). Und Hotzenplotz hat in unseren Breitengraden auch heute irgendwie den Klang nach einer völlig entlegenen Ecke der Tschechischen Republik, wo sich hinter den „sieben Bergen" -genauer gesagt dem „Altvatergebirge"- Fuchs und Hase gute  Nacht sagen…

Während das südböhmische Netz 1998 von der Jindřichohradecké místní dráhy a.s. (JHMD) übernommen wurde, wird der Regelbetrieb zwischen Třemešná ve Slezsku und Osoblaha nach wie vor von ČD betrieben, als somit letzte ČD-Schmalspurbahn. 2004 begann die Gesellschaft Slezské zemské dráhy o.p.s. http://www.osoblazsko.com/de  zusätzlich einen touristischen Bahnbetrieb mit der aus Rumänien importierten Resiţa-Dampflok U46.002 und der Diesellok Faur (TU38.001, ex Zuckerfabrik Kruszwica, Polen) aufzuziehen. Völlig neue Perspektiven ergaben sich 2009 mit der Inbetriebnahme der U57.001 des Club760 http://www.club760.at. Diese 500 PS starke Dampflokomotive zieht nun die langen Züge zwischen Třemešná und Osoblaha, während die kleine  Resiţa-Dampflok für kurze Züge zwischen Osoblaha und Slezské Rudoltice im Einsatz steht.

Ähnlich wie die grossen Zahnraddampflok HG 4/4 aus Vietnam als Schweizer Exportlokomotiven den Weg in die Heimat zurückgefunden haben, ist auch die U57.001 als tschechoslowakische Exportlokomotive „nach Hause gekommen": Škoda Plzeň hatte 1948 sechs dieser Lokomotiven (No. 1932–1937) für den Güterverkehr auf der bosnischen „Steinbeisbahn" gebaut, einem ab 1902 entstandenen, rund 300 km langen Waldbahnnetz, das von Knin (Kroatien) über Srnetica bis Prijedor und Jaice (Anschluss an das bosnische Schmalspurbahnnetz BHLB) reichte, benannt nach dem Besitzer der Bosnischen Forstindustrie AG, Otto Steinbeis (nach der Verstaatlichung 1923 ŠIPAD, bis 1975 stillgelegt). Bei der ŠIPAD war die Fabriknummer gleichzeitig Betriebsnummer. Nebst der U57.001 (1932) in Osoblaha sind in Bosnien noch die 1933 (Banja Luka), 1934 (Prijedor) und 1937 (Denkmal Doboj) vorhanden. Der ursprüngliche Anstrich war schwarz, teilweise grün-schwarz. Lok 1933 diente lange als stationärer Dampfkessel in der Teppichfabrik Dravar; 1932 und 1935 standen auch in der Kohlenmine Banovici im Einsatz.

Die 76cm-spurige Lokalbahn
Třemešná–Osoblaha wurde nach knapp einjähriger Bauzeit am 14.Dezember 1898, also zur Zeit des österreichischen Kaiserreichs eröffnet. Sie verband die damalige Stadt Hotzenplotz (gemäss Meyers-Konversationslexikon von 1908) „…mit einem Bezirksgericht, schöner Pfarrkirche, Rathaus, Zuckerfabrik, Spitzenklöppelei" und rund 3200 Einwohnern" mit der „weiten Welt", das  heisst im damaligen Röwersdorf vorerst mal mit der normalspurige Strecke Jägerndorf (heute Krnov)–Ziegenhals (heute Głuchołazy, Polen). Ursprünglich hatte man beabsichtigt, die Zuckerfabrik Hotzenplotz mit einem normalspurigen Anschlussgleis nach dem damals preussischen Deutsch Rasselwitz (heute Racławice Sląskie, Polen) erschliessen, was aber aus politischen Gründen unmöglich war.

Auf der Lokalbahn fuhren drei gemischte Güterzug-/Personenzugpaare. 1918 ging die Strecke an die neuentstandene tschechoslowakische Staatsbahn ČSD über, die in der Folge 1928 den Personenverkehr mit zwei Dieseltriebwagen M 11.0 (mit Führerstand auf dem Dach, ähnlich wie in Frankreich) modernisierte. Nach Besetzung des Sudetenlands 1938 gelangte die Lokalbahn an die Deutsche Reichsbahn, wurde bei den schweren Kämpfen im März 1945 kaum beschädigt.

Der reguläre Dampfbetrieb auf der „Osoblažka" dauerte noch bis zum 16. Dezember 1960.
Der Regelbetrieb wird heute mit zwei der drei der 1958 gelieferten vierachsigen dieselelektrischen Lokomotiven der Reihe T 47.0 von ČKD Prag (heute Reihe 705.9) abgewickelt. Die Personenwagen wurden 1966 bei Tatra Smíchov gebaut. Schon von Anfang beförderte man normalspurige Güterwagen auf Rollböcken. Erst 1997 wurde dieser Güterverkehr, meist nachts mit 15 km/h abgewickelt, aufgehoben. Seitens des Personals witzelte man, der Rollbockverkehr müsse bei Dunkelheit durchgeführt werden, um nicht das Schwanken der Wagen mitansehen zu müssen. Heute lagern 27 Rollböcke in der Rollbockgrube in Třemešná; aus Sicherheitsgründen ist heute auch ein ausserordentlicher Rollbockbetrieb verboten.

Die Fahrt beginnt, Tender voraus, in T
řemešná im am Bahnhofplatz gelegenen Schmalspurbahnhof. Dort ist auch die U57.001 in einem Lokschuppen untergebracht. Die kurvenreiche Strecke weist eine maximale Steigung von 27 ‰ und einen minimalen Kurvenradius von 75 m auf. Bald nach der ersten und schon maximalen Steigung hinter Třemešná befindet sich bei km 2.2 die engste Eisenbahnkurve in der Republik Tschechien, die nur mit 20 km/h befahren werden darf; die Streckenhöchstgeschwindigkeit beträgt 40 km/h. Mit Halt an allen sieben Zwischenstationen geht die gemütliche Reise durch Wiesen, Felder und Wälder nach Osoblaha.

Am Bahnhof Osoblaha ist mit überdachten Festbänken und Verkauf von Getränk und gegrillten Würsten für das leibliche Wohl der Fahrgäste gesorgt. Der kleine, altösterreichische Bahnhof mit zweiständiger Lokremise befindet sich weitab des auf einer kleinen Erhebung gelegenen früheren Städtchens, das während schweren Kämpfen am Ende des 2. Weltkriegs nahezu ausgelöscht wurde. Heute beherrschen dort Flachdachbauten aus der Nachkriegszeit das Bild; auf dem Hauptplatz stehen ein Kriegsdenkmal und ein Geschütz aus dem 2. Weltkrieg, gegenüber das Restaurant U kanónu. Weitere Sehenswürdigkeiten sind ein ehem. jüdischer Friedhof und Reste der Stadtmauer. In Slezské Rudoltice und Divcí Hrad gibt es alte Schlösser zu entdecken, wozu allerdings die Dampfbahnfahrt nach Osoblaha abgebrochen oder unterbrochen werden müsste.

Der Dampfzug, zusammengestellt aus Sommerwagen, einen Bier- und einem Velowagen sowie Personenw
agen des ČD-Regelbetriebs versetzt Freunde eines originalgetreuen Museumsbetriebs vielleicht weniger in Begeisterung. Auch die aus Bosnien zurückgeholte, hervorragend gepflegte U57.001 ist nicht in originaler Lackierung. In Anlehnung an die mächtigen normalspurigen ČSD-Güterzugdampflokomotiven der Reihe 556.0 „Štokr" erhielt die U57.001 den Spitznamen (kleine) „Malý štokr". Der blau-schwarze Anstrich unterstreicht ihre technische Schönheit und funktionelle Eleganz, auch wenn diese Maschinen in Bosnien vor allem im Güter- und Werkverkehr verwendet wurden.

In Osoblaha fährt der Dampfzug in Gleis 2 ein und wartet auf den nachfolgenden, in Gleis 3 einfahrenden
ČD-Zug mit einer der beiden Diesellokomotiven der Reihe 705 und zwei Wagen, wovon einer modernisiert mit digitaler Kundeninformation! Danach wird die Dampflok vor die Remise gefahren und entschlackt. Später wird die ganze Komposition des Dampfzugs in Gleis 1 rangiert und in Gleis 2 der ČD-Zug aufgestellt. Nach Ausfahrt des planmässigen Zugs nach Třemešná rangiert der Dampfzug wieder in Gleis 2, um später von dort auszufahren. Wasserfassen ist erst auf der Rückfahrt in Sleské Rudoltice, wo auf Gleis 1 eingefahren wird, um den aus Třemešná nach Osoblaha zurückkehrenden ČD-Zug zu kreuzen.

Der Besuch der Schmalspurbahn nach Osoblaha und der U57.001 lässt sich am besten mit einem Besuch von Krnov verbinden, wo auch geeignete Übernachtungsmöglichkeiten bestehen. Krnov besitzt eine interessante Altstadt; die schönste Sehenswürdigkeit ist aber die über eine lange Treppe erreichbare der Heiligen Mutter Gottes im Schmerz (1722-28) in Cvilín, hoch über der Stadt und mit  einem faszinierenden Panoramablick in die Ausläufer des Altvatergebirges. Krnov lässt sich per Bahn von Ostrava via Opava erreichen, oder besonders empfehlenswert von Olomouc aus über eine landschaftlich und technisch sehr eindrucksvolle Strecke via Bruntál; schon nach der Ausfahrt aus dem Bahnhof Olomouc wird eine städtische Tramlinie gekreuzt!

Erwähnen wir noch das Projekt der Verlängerung der Streck
e von Osoblaha nach Racławice Śląskie, nun zu touristischen Zwecken. Dafür müssten 3 km Neubaustrecke gebaut werden, worauf dann auf 6 km ein Dreischienengleis von Głubczyce nach Racławice Śląskie nötig wäre. Das historische Städtchen Głubczyce und auch Racławice Śląskie mit Lokschuppen und Drehscheibe wären interessante Ziele für eine solche internationale Touristenbahn.

Christian Ammann


 
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